ZIELGENAU

ÜBER DEN UNTERSCHIED ZWISCHEN GUTEN VORSÄTZEN UND UMSETZBAREN ZIELEN

Literatur und Ratgeber für „richtige“ Zielformulierung gibt es wie Sand am Meer. Vielleicht haben Sie schon einmal gelesen, dass Ziele SMART sein sollten? Klar ist: Sie können nur Ziele erreichen, die Sie klar formulieren. In der Coaching-Praxis arbeiten wir mit sogenannten „wohlformulierten Zielen“. Diese müssen vier Kriterien erfüllen und haben den großen Vorteil, dass dabei keine Schlupflöcher offen bleiben.

1) EIN ZIEL MUSS POSITIV FORMULIERT SEIN

Wie immer im Coaching geht es auch bei der Zielformulierung um den Einsatz von verbalen Techniken. Positiv formulieren heißt, sich sprachlich auf erwünschte Ereignisse zu beziehen, anstatt auf Unerwünschtes zu fokussieren. Positiv formulieren heißt nicht schönreden - sondern das auszudrücken, was sein soll. Kurze Einladung zu einem Gedankenexperiment nach Paul Watzlawick: „Bitte stellen Sie sich unter keinen Umständen einen rosa Elefanten vor!“ Woran Sie nun wohl gerade denken? Oft sagen wir „Lass mich xy nicht vergessen!“ und fokussieren dadurch genau auf das, was wir ja gar nicht wollen: nämlich das Vergessen - ein klassischer Fall von negativer Formulierung. Positiv formuliert wäre: „Bitte erinnere mich an xy.“

Wenn Sie sich „nicht mehr so viel nörgeln“ oder „keine Fehler mehr machen“ als Ziel setzen, stehen das Nörgeln, oder eben die Fehler im Zentrum Ihrer Aufmerksamkeit. Fragen Sie sich allerdings, was Sie stattdessen machen möchten, rückt plötzlich das erwünschte Verhalten in den Blickpunkt. Sie gehen schließlich auch nicht in ein Restaurant und bestellen „kein Schnitzel“.

Wie können Sie das im Alltag umsetzen? Wann immer Sie einer negativ formulierten Forderung begegnen, fragen Sie daher noch einmal nach: „Was stattdessen?“

2) EIN ZIEL MUSS KONKRET FORMULIERT SEIN

Wenn Sie als Ziel formulieren „Ich werde wieder öfter Sport machen“, klingt das zwar gut und zuerst einmal vielversprechend. In Wahrheit ist es aber alles andere als konkret und verbindlich. Angenommen, Sie haben bisher einmal im Jahr Sport gemacht und jetzt zweimal, wäre das ja immerhin eine Steigerung um 100%. Aber ob es das ist, was Sie wollten? Daher: je konkreter, desto besser und auch umso leichter umsetzbar. Neben der Häufigkeit sollten Sie sich daher auch Gedanken darüber machen welchen Sport, zu welchem Zeitpunkt, mit wem, wie lange, etc.

Wie oft kommt es vor, dass in Meetings Beschlüsse gefasst werden wie: „Verbesserung der internen Kommunikation“ oder “Intensivierung der Kund:innenbeziehungen“ etc. Wobei sich die Frage stellt, ob zur Verbesserung der internen Kommunikation jetzt öfter gemeinsam Kaffee getrunken wird, man sich freundlichere E-Mails schreibt oder ob in Zukunft häufiger Meetings abgehalten werden, um die Kommunikation in Fluss zu halten? Und bedeuten intensivere Kund:innenbeziehungen, dass die Kund:innen öfter besucht werden, dass man mit ihnen ausgeht oder ihnen zum Geburtstag gratuliert? Allen Kund:innen? Oder vielleicht nur ausgewählten? Und wie vielen? Und wie oft? Und und und... Daher: immer so lange nachfragen, bis es konkreter nicht mehr geht.

3) DAS ZIEL MUSS WAHRNEHMBAR SEIN

Erst wenn die Zielerreichung wahrnehmbar ist, ist sie auch überprüfbar und dadurch motivierend. So stellen sich im Zusammenhang mit der Umsetzung von Unternehmensleitbildern häufig Fragen nach deren Wahrnehmbarkeit im Umfeld. Etwa im Zusammenhang mit Formulierungen wie „das Unternehmen handelt ethisch und verantwortungsvoll im Sinne von XY“. Hier ist es wichtig, nach der Beobachtbarkeit zu fragen: „Angenommen, Sie werden dabei gefilmt, wenn Sie ethisch handeln, was würde man auf dem Film sehen? Woran erkennen das Ihre wichtigsten Kund:innen, der Mitbewerb etc.? Gerade bei qualitativen Zielen ist die Wahrnehmbarkeit aus den verschiedensten Blickrichtungen besonders wichtig. Auf diese Weise können Sie Brücken schlagen vom gewünschten Ergebnis hin zum zielführenden Handeln.

4) DIE ZIELERREICHUNG MUSS UNTER EIGENEM EINFLUSS STEHEN

Hier liegt der Unterschied zwischen Zielsetzung und dem Brief ans Christkind. Zwischen Wunsch und Ziel. Einfach gesagt: Sonnenschein kann ich mir wünschen, aber nicht kontrollieren. Fragen Sie sich daher immer, inwieweit ein bestimmtes Ziel in Ihrem Einflussbereich steht. Häufig setzen sich Menschen zum Ziel, dass der/die Chef:in, die Arbeitskolleg:innen, der/die Partner:in, die Situation „sich verändert“. Da die Fernbedienung für andere Menschen noch nicht entwickelt wurde, muss man sich daher fragen, was der eigene Beitrag zu dieser Zielsetzung sein könnte. Sie können wahrscheinlich die Kolleg:innen oder den/die Chef:in nicht verändern, aber Sie können durch veränderte Verhaltensweisen veränderte Reaktionsweisen hervorrufen.

DIE LEITFRAGEN

POSITIV FORMULIERT

Was stattdessen?

Was genau? wie oft? Mit wem? Wann genau? Bis wann?

KONKRET

Woran erkenne ich/Chef:in/Kolleg:in/ Kund:in, dass das Ziel erreicht wurde?

WAHRNEHMBAR

EIGENER EINFLUSS

Inwieweit und wie kann ich das Ergebnis beeinflussen?

Bei besonders kniffligen Zielformulierungen kann ein Coaching hilfreich sein. Aber, Achtung: Die Zielfindung kann Ihnen in so einem Fall vielleicht manchmal ein wenig lästig erscheinen, denn wenn Sie einen guten, seriösen Coach haben, wird sie/er sich nicht mit einem unklar, oder negativ definierten Ziel zufriedengeben. Sie/er wird so lange nachfragen und Sie so lange konkretisieren lassen, bis Ihre Zielsetzung eindeutig ist und keine Zweifel bei der Umsetzung offenbleiben.

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